ulrich berghäuser

Downhill & Marathon

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bericht 9. Marathon des Alpes-Maritimes (Nizza-Cannes) 13. Nov. 2016

 

Cote d'Azur - autofrei, spassdabei

 

Geplant hatte ich diesen Lauf entlang der küste von Nizza nach Cannes schon seit jahren. Aber nie passte der Termin anfang November.
So träumte ich weiter nur davon die wunderbaren palmenbestandenen strandpromeneden zu durchlaufen.
Zu meiner rechten die First-Class Hotels in denen die promis sich die klinke in die hand geben, zu meiner linken das azur blaue Mittelmeer soweit das auge reicht.
Und natürlich trage ich auch noch beste erinnerungen von dieser küste in mir. Unsere erste verliebte reise mit meinem VW-Bus aus den 60ern - ja, den Bulli mit der geteilten scheibe. Ist das schon fast 40 Jahre her ?
2016, sollte es dann endlich soweit sein. Früh habe ich mich auf der homepage ' www.marathon06.com ' angemeldet, wobei das 06 für das departement Alpes-Maritimes steht.
Manche bereiche der HP sind in englisch, aber eben nicht alle, und wenn's an die buchung eines (kostenpflichtigen !)  hin- oder rücktransportes per Bus oder Bahn geht dann wirds eben doch kinffelig.
Auch ein Medical Zertificate ist verlangt, wie bei allen läufen in Frankreich.

Doch dann die Horrormeldung vom 14 Juli: Terroranschlag mit einem LKW auf der 'Promenade des Anglais' am Französischen Nationalfeiertag. 86 Menschen aus 21 Nationen getötet und mehr als 300 weitere zum Teil schwer verletzt.
Als folge werden alle grossveranstaltungen in Frankreich abgesagt. Die registrierung zum Marathon wird ausgesetzt.
Ende gelände.
Was nun ? Zum gleichen termin gibts es noch den lauf von Marathon nach Athen - bin ich 2004gelaufen - und Florenz - bin ich 2006 gelaufen. Istanbul bietet sich noch mit dem Eurasia Lauf an, aber wer will zur zeit schon in die Türkei ?

Dann ganz unerwartet dochnoch die entwarnung. Der Nizza-Cannes Marathon wird statt finden, aber mit einem neuen sicherheits-konzept. Diesem fällt der start auf der wunderbaren 'Strandpromenade des Anglais' zum opfer. Statt dessen nun beginn in der Allianz-Riviera Arena etwas ausserhalb der stadt.

Der Event ist also gerettet, nur ich bin alles andere als fit dafür. Seit dem Berlin-Halbmarthon plagen mich schmerzen im bein. Mal geht es besser,mal garnicht.  Abgebrochens training und viel physiotherapie sind die folge - fit ist anders.

 

 

 

 

Nichts desto trotz geht es Freitags mit dem 'Mikro Camper' bei Schneefall über die Alpen. Samstags mittags gelangen wir dann über die sehenswerte ligurische Küstenautobahn nach Nizza.

Die Sonne lacht und die menschen sitzen draussen vor den bars um sich an ihr zu erfreuen.
Aber wohin bloss mit dem auto? Alle Parkhäuser sind besetzt und eh nur für unter 1.80m geeignet. So kreisen wir eine gefühle ewigkeit durch die stadt um dann am alten hafen doch noch fündig zu werden.

Der ort der startnummernausgabe hat sich ebenfalls geändert und ist nun auf dem 'Place Masséna' in einer grünanlage mitten in der Stadt.
Nach körper- und rucksack check durch sicherheitspersonal gelangen wir ohne probleme hinein und kommen freudig mit kleiderbeutel, kleinem rucksack sowie startnummer mit chip hinten drauf wieder raus.


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Einem spätsommerlichen lunch unter palmen mit weitblick über die blaue funkelnde riviera seht jetzt nichts mehr im wege.Noch am abend fahren wir nach Cannes wo wir eine kleine wirklich günstige ferienwohnung per internet gebucht hatten.
Das parkproblem ist aber auch hier dasselbe. Unsern minicamper müssen wir am rande des hafens für teuer geld abstellen.

Dafür sind wir aber mitten im touristischen herzen der stadt gelandet. Ein paar schritte sind es nur zur 'Croisette', dem gegenstück zur prachtpromenade 'des Anglais' in Nizza.
Hier wird das marathon ziel sein, hier werden die finscher gefeiert werden, hier gilt es anzukommen. Restaurantes und bars gibt es hier en masse, aber pasta ist nicht gerade das französische nationalgericht.
Doch in einem kleinen italienischen laden bekommen wir noch frische nudeltaschen mit lecker füllung - gut das wir eine kleine küche zum kochen haben.


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Um 8:00 soll der startschuss im Allianz-Riviera stadion fallen. Wir haben beschlossen mit dem auto dort hin zu fahren. Über die autobahn ging das reibungslos und parkplätze gibt es dort en masse - solange das auto nicht höher ist als 1.90m.
Alles funktioniert sehr relaxed. Trotz personenkontrollen Keine schlangen die treppen hoch zum eingang . Kerstin kann sogar mit hinein und somit bleiben mir die warmen klamotten bis kurz vor dem start.
Und das ist auch bitter nötig. So erspare ich mir das frieren im eisigen nordwind der so manchen läufer zu schlottern bringt.


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Nicht im stadion sondern auf dem grossen boulevard dahinter ist die aufstellung in die startblocks (alle 0:15 min). Auch hier viel platz und kein gedränge. Dieser alternative startpunkt scheint mir also sehr gut gewählt und würde noch einiges mehr an läufern verkraften. Allerding sehe ich nur 10 Toy Häuschen hier unten, vor denen sich riesige schlangen bilden - zum glück gibts viel grün rundum.

Dies wird mein 27.ster Marathon start, und noch immer sind die stunden, die minuten davor sehr emotional , aufregend - gänshautfeeling eben. Aber diesmal ist es eben noch anders. Diesmal spielt nicht die zeit, die minuten unter 4 stunden eine rolle. Erstmals habe ich einen 'Exit Plan'.
Ich habe ein handy dabei und eine fahrkarte für den zug, damit ich im falle eines falles irgendwie weiter komme. Und so freunde ich mich schon mal mit der netten 4:15 zielzeit läuferin an, die hinter mir im nächsten startblock lauert.

Als dann die sonne über den bergen aufgeht steigt die spannung und vorfreude. Gegen die kälte hilft nur tanzen. Tanzen zur musik die aus den lautsprechern hämmert und die menge anheizt.
Ohne gedränge geht es langsam in richtung startbogen. Ein letztes mal tschüss sagen. Da ist die rote matte. Los gehts!


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Die ersten kilometer geht es unspektakulär auf breiter einfallstrasse in richtung flughafen und dem meer entgegen, das wir bei km 8 erreichen. Nun geht es, meist palmengesäumt entlang der Küstenlinie. Noch ist es frisch, die sonne funkelt über dem wasser und es herrscht eine wunderbare ruhe. Ja genau. Ruhe.
Jetzt erst fällt es mir so richtig auf. Es gibt keinerlei autos in der nähe der strecke. Alle 4 bis 6 spuren gehören ausnahmslos den läufern. Links die Riviera und recht: Alle einmündenden strassen sind mit schweren LKW zugestellt - und das auf der gesamten strecke. Was als sicherheitsmassnahme gegen weitere anschläge gedacht ist erweist sich auf wunderbare weisse als garant für ein völlig autofreies lauferlebnis.

Nach zwei kurzen abstechern, die dazu da sind die neue strecke wieder auf die richtige länge zu bringen erreichen wir bei km 15 die 'Marina Baie des Anges' . Von allen seiten werden wir den grossen weissen gebäudekomplex zu sehen bekommen, denn wir läufen 3x daran vorbei. Toll die läufermassen auf allen spuren in 3 richtungen dort unten laufen zu sehen.

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Vor dem Halbmarathon, der auch staffelübergabe der Halbmarathonis und der 10km staffeln ist, die sicher die hälfte des läuferfeldes ausmachen, wird es etwas öde. Rechts Eisenbahn, dann breite strasse und dann endloser kiesstrand. Das nenn ich mal meckern auf höchstem niveau.

Am Fort von Antibes vorbei geht es dann auf sie stadtmauer die senkrecht ins meer abfällt - zu unserer rechten die altstadt mit okerfarbenen steinen erbaut. Bei km 25, am 'Plage de la Salis', geniessen wir nochmal einen blick zurück über die Bucht von Antibes bis nach Nizza mit den weissen gipfeln der Alpen im hintergrund.

Ein kleines strässchen führt nun entlang der küste zum Cap Antibes, durch schöne pinien hinter denen sich die villen der reichen zu verstecken suchen. Dann 'the wall' wie Garmin seine challenge nennt.
Wer den gerade mal 34 meter hohen bergrücken am schnellsten bewältigt gewinnt. Ich war wohl einer der langsamsten...


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Wieder am meer angekommen überrascht und der kleine 'Plage des Ondes' mit seinem glasklaren turkisfarbenem wasser.Fantastisch. Doch dann schweift der blick dem weiten bogen des Golf Juan entlang, wo am ende, in weiteren 10km, der 'Pointe Croisette' und der anschliessende zieleinlauf auf uns wartet.
Bis hierhin lief alles überrasched gut - bei einem schnitt von 5:39 pro km (HM  1:57 ,  30km  2:49). Doch ab jetzt kann ich nur noch von versorgungstand zu versorgungsstand denken. Die sind übrigens perfekt gemacht. Meist auf beiden seiten.
Am anfang und am ende wasser im wachsbecher. Dazwischen isodrinks, Bananen, Orangen, Feigen und mehr.
Ich greife zu und gehe dabei flott weiter bevor ich versuche wieder in den laufschritt zu kommen. Das kostet natürlich minute um minute aber irgendwie werde ich die letzten 10 km noch überwinden.

Als dann aber die strasse wieder ansteigt - läppische 20 höhenmeter - um an der steilküste oberhalb der eisenbahn weiterzuführen, muss ich gehen.

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Meine letzte rast dann bei km 40. Cola, Cola, Cola. Genau das hat mir gefehlt. Der zuckerschub und der einlauf auf die Croisette beflügen mich wieder. Palmenalle im Weinnachts schmuck, weisse Prunk Hotels zur rechten. Heller sandstand vor blauem glitzerndem Meer über dem die sonne lacht. Goldene palmwedel, die in den belag des Boulevard eingelassen sind.

Dann der blaue teppich. Zuschauer voller begeisterung an den Banden; die fotografen; der zielbogen. Ja.Ja.Ja. Es ist geschafft. Ich bin tatsächlich im ziel.


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Voller freude flaniere ich noch den Boulevard hinunter. Es gibt massenweise obst und wasser, eine nettes funktions finisher shirt und eine flotte medaille. Viele finisher sitzen auf dem grünstreifen unter palmen um das durchlebte erstmal setzen zu lassen - einen wunderbaren lauf bei fantastischem wetter entlang der wohl berühmtesten küste europas und das auch noch völlig autofrei.

Während viele anschliessend mit bus oder bahn wieder zurück nach Nizza müssen biege ich am 'Palais des Festival' nach rechts ab und stehe vor der wohnungstür.

Sinn macht es auf jedenfall noch ein paar tage dran zu hängen. Die Ille Sainte-Marguerite lockt mit schöner, um diese jahreszeit einsamer felsen und pinien küste. Das künstlerdorf Biot bietet pitoreske gassen auf einem hügel im hinterland.

Die 'Calanques des Esterell' faszinieren mit ihren roten felsen und sogar Saint Tropez ist nicht weit mit dem 'Plage de Pampelone'und seinem tollen naturschutzgebiten am Cap Taillat.

Es gibt also reichlich zu sehen und zu erleben bevor es wieder über die verschneiten Alpen zurück in den grauen deutschen herbst geht.


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Auch wenn der 'Marathon des Alpes-Maritmes' für sich in anspruch nimmt der zweit grösste in Frankreich zu sein - mit 6652 finishern auf der vollen distanz kommt er nicht an den 'Marathon du Medoc' mit 7668 heran .Der allerdings bietet keine staffeln an, und die sind in Nizza wohl sehr gut angenommen und füllen  das läuferfeld auf.

Mit einer zeit von 4:12 rangiere ich nur noch in meiner altesklasse V3M (steht für Veteran, 50-60 Jahre, männlich) unter dem durchschnitt. Das ist immerhin noch ein schnitt von 5:59 min/km. Aber wen interessiert das schon ausser meiner statistik. Wichtiger ist doch das ich einen lang ersehnten lauf erleben durfte ohne mich dabei zu ruinieren.
Die blauen fussnägel und die steinharte wade werden sich schon wieder erholen, meine schmerzen im bein bleiben aber wohl ein dauerproblem.

 
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